Lichtblick
Situation
Der 38 Meter hohe Bayernturm befindet sich im landschaftlich reizvollen Naturpark Haßberge in Sulzdorf an der Lederhecke an der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Es handelt sich um einen denkmalgeschützen Turm, welcher in den 1960ern erbaut wurde, um den Fremdenverkehr der Grenzregion anzukurbeln und so die Dörfer in Grenzlage wirtschaftlich zu stärken. Die Aussichtsplattform bot den Blick über die Grenze, von wo aus man die Grenzanlange der DDR sowie den Todesstreifen, der das Land teilte, überblicken konnte. Bis Ende der 1990er Jahre verbuchte der Turm mehr als 500.000 Besucher.
Mit dem Fall der innerdeutschen Mauer hat der Bayernturm allerdings seine Gebrauchsnutzung als touristischer Ausblick auf die ehemalige DDR verloren. Der Turm scheint durch sein Erscheinungsbild und seine Struktur in der Zeit stehen geblieben zu sein. Allerdings lässt sich der geschichtliche Kontext in dem er stand nur noch schwer erahnen. Heutzutage dient das nicht barrierefrei erschlossene Bauwerk lediglich als Aussichtsplattform über die spektakuläre unterfränkische Landschaft.
Es soll ein Erinnerungs- und Lernort geschaffen werden, welcher 40 Jahre deutsche Teilung lebendig und verständlich vermittelt. Das Konzept soll dabei hauptsächlich auf eine junge Zielgruppe ausgerichtet sein. Des Weiteren soll ein Anlaufpunkt für grünen Tourismus, Wanderung und Bike Touren entstehen der Bezug zu dem Grünen Band, dem ehemaligen Todesstreifen, nehmen soll.
Konzept
Obwohl das Bauwerk weder aus einer historischen Notwendigkeit heraus entstanden ist noch einen denkmalpflegerischen Wert in der Bausubstanz sowie Architektur hat, erfährt der Turm dennoch eine geschichtliche Relevanz durch seine jüngste Geschichte und politische Situation während seiner Entstehung. Das Gebäude wurde als Leuchtturm für die Bevölkerung in der damaligen DDR, die ihn als Symbol der Freiheit diesseits der Grenze sehen könnte, bezeichnet. Man gab damals der Hoffnung Ausdruck, dass der Bayernturm eines Tages wieder mitten in einem vereinigten und freien Deutschland stehen möge.
Der Turm steht nun als materielles Überbleibsel für eine vergangene und teils vergessene Zeit. Er steht symbolisch für die Hoffnung auf Freiheit als verbindendes Element zwischen der ehemaligen BRD und DDR. Aus diesem Grunde ist es wichtig die Eigenständigkeit des Turms zu erhalten aufgrund der geschichtlichen Schwere, die das Bauwerk symbolisch verkörpert. Dennoch bedarf es einer Reaktivierung des Bauwerks, um diese Relevanz zu vermitteln.
Die Typologie des Turmes soll architektonisch erhalten und erweitert werden. Die bestehende Erschließung der Aussichtsplattform muss dabei verbessert werden, um den Ansprüchen gerecht zu werden. Dabei muss die Energie, die aufgebracht wird in den Erhalt des Bestandes fließen, Stichwort Entropie. Es soll ein nachhaltiges und langlebiges Konzept entstehen, dass die geschichtliche Teilung Deutschlands an die nachfolgenden Generationen übermittelt.
Entwurf
Das bestehende Bauwerk wird durch eine acht-eckige spiralförmige Rampe neu erschlossen. Durch dieses soll der Turm aktiv erlebbar gemacht werden. Diese ist barrierefrei ausgebildet, um die Struktur für alle gesellschaftlichen Gruppen zugänglich zu machen. Es entsteht ein Freiraum zwischen Spirale und Bestandsturm, welcher durch die Dauerausstellung bespielt werden soll. Die Rampe windet sich um den Turm, welcher immer im Mittelpunkt des Raumes steht. Das historisch behaftete Bauwerk wird dabei selbst zum Ausstellungsstück. Es dient als Medium, um den geschichtlichen Kontext zu vermitteln. Dabei soll der zeitliche Geschichtsverlauf als Zeitstrahl sichtbar gemacht werden. Oben ankommen befindet sich die Wechselausstellung, die sich mit derzeitigen Grenz- und Teilungsthemen beschäftigen soll. Es werden dabei innovative Vermittlungsformen gewählt, die dem Raum gerecht werden und so auch ein wandlungsfähiges Ausstellungskonzept gewährleisten.
Die neue Nutzung des Turmes wird volumetrisch über eine Überformung durch die Spiralform vermittelt. Dennoch bleibt die ursprüngliche Struktur von außen erkenntlich. Ein Netzvorhang ist vor die Struktur gespannt, welcher nach oben hin ausläuft. So wird der Fokus des Bauwerkes auf die ehemalige Aussichtsplattform gelenkt und ein angemessener Umgang mit dem Bestand gefunden.
Um die Eigenständigkeit des Turmes im Kontext zu bewahren sowie sich im landschaftlichen Kontext zurückzunehmen, wurde das Sockelgeschoss mit dem notwendigen Nutzen in den Boden abgesenkt.
Eine Schneise zieht sich durch den Sockel, welche symbolisch die ehemalige Teilung des Landes widerspiegeln soll. Der Turm befindet sich als verbindendes Element in der Mitte dieser Schneise. Diese definieren beidseitig die zwei Zugänge, welche durch Rampen barrierefrei ausgebildet sind. Das Sockelgeschoss wird in zwei Elemente geteilt. Der nördliche Teil, welcher in den Hang eingelassen ist, beherbergt das Museumsarchiv. Durch seine topografische Position ist dieser Bauteil prädestiniert für diese Nutzung, die der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, um einen Wissensaustausch zu gewährleisten. Der südliche Teil schiebt sich aus dem Hang und generiert ein Geschoss, das sich zur abfallenden Topografie hin öffnet. Dieser Teil des Gebäudes beherbergt Shop/Kasse, Multifunktionsraum sowie interne Büros und Mitarbeiterräume. Die Räumlichkeiten können dabei durch die Öffnung aus dem Hang mit dem Außenbereich in Verbindung treten.
Die Struktur der bestehenden Sanitäranlage wird aufgegriffen und zu einem Fahrradverleih umfunktioniert. Gleichzeitig soll der Gasthof mit minimalen Eingriffen im Außenbereich zusätzlich ein Café beherbergen, da die benötigte Infrastruktur bereits vorhanden ist.
Die Außenraumgestaltung ist als Parkanlage ausgebildet, um so auch der Bevölkerung in Sulzdorf einen Mehrwert zu bieten. Durch raumaktivierende Elemente wie Sitzmöglichkeiten, Liegen, Infotafeln und Vesperplätze erfährt der Außenraum eine Belebung. Das Gründach lädt zum Erleben der Landschaft ein. Das Areal um den Bayernturm erfährt somit eine starke Aufwertung.